Im Gespräch mit unseren Stationsleiterinnen der Palliativstation
Gesundheits- und Krankenpflegerin Sigrid Neher arbeitet seit 25 Jahren in unserer Klinik. Sie bildete sich als Palliative Care Fachkraft und Pain Nurse weiter. Ihrem Engagement ist es zu verdanken, dass 2006 eine Palliativeinheit mit sechs Betten im Haus entstand, die 2014 in eine Palliativstation mit 10 Betten mündete. Mit ihrer seit 2000 im Haus tätigen Fachkollegin Sylvia Zeeb, ebenso Palliative Fachkraft und Pain Nurse, teilt sie sich die Stationsleitung.
Frau Zeeb, was steht im Fokus Ihrer Arbeit auf der Palliativstation?
In der Palliativpflege konzentrieren wir uns darauf, die Lebensqualität von Menschen mit schweren oder unheilbaren Erkrankungen zu verbessern. Ziel ist es die Symptomlast der Betroffenen auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. Wir helfen auch wenn wir nicht heilen können. Der Patient kann so z.B. nach unserer Behandlung sagen, dass die Schmerzen für ihn erträglich sind und er mit der Erkrankung weiterleben kann zu Hause oder in einer Einrichtung. Von Beginn an haben wir dabei im interdisziplinären Team auch die nachstationäre Versorgung im Blick. Und es ist uns wichtig die Angehörigen immer intensiv mit einzubeziehen in unsere Arbeit.
Frau Neher, wie können wir uns Ihre Arbeit im Detail vorstellen?
Wir holen den Patienten da ab wo er gerade steht. Was sind seine Wünsche und Vorstellungen, wie können wir ihn da hinbringen wohin er möchte? Wir möchten Dinge aus dem Weg räumen, vor denen der Patient Angst hat. Es geht um Angst vor dem Sterben oder vor unerträglichen Schmerzen, die mit Todeswünschen einhergehen. Wir wollen dem Patienten nichts überstülpen und nehmen uns selber grundsätzlich zurück. Unser Ziel ist es, dass sich für den Patienten ausweglose Situationen auflösen. Wir möchten ihn dazu bringen, wieder ein Ziel für sich zu formulieren. Zum Ende des Aufenthalts ist ein Weg gefunden und alle können mitgehen. Palliativpflege bedeutet auch, dass man das Unabänderliche mit aushält. Wir sind da für den Patienten, die Angehörigen und tragen alles individuell und im Team mit.
Ich teile übrigens nicht die Lehrmeinung der Palliativpflege, dass 90 % Haltung und 10 % Wissen unsere Arbeit bestimmen. Es ist genau andersherum.
Frau Zeeb, gibt es bei aller Schwere schöne Momente auf der Station?
Wenn es mir gelingt, dass sich der kranke Mensch in seinem wirklich geplagten Körper für einen ganz kurzen Moment wieder wohlfühlt. Das erreichen wir mal durch eine äußere Anwendung wie eine temperierte Ölkompresse, mal durch eine rhythmische Massage etc..Oder wir schaffen einen Glücksmoment, z.B. durch die Erlaubnis den geliebten Hund noch mal zu sehen.
Ich gehe oft auch gestärkt aus einem Zimmer. Uns trägt die große Sinnhaftigkeit unserer Arbeit. Hier findet sich die Essenz des Lebens. Wir lernen von unseren Patienten eben auch viel für unser Leben.
Frau Neher, was reizt sie an der Palliativpflege?
Es gilt mit hochakuten Situationen, in denen es um Leben und Tod geht, umgehen zu können. Man muss es können und wollen. Man braucht dabei ein hohes Maß an Kompetenz, viel Fachwissen, Lebenserfahrung, Fingerspitzengefühl und immer auch ein gutes Bauchgefühl. Vor ca. 20 Jahren gründete sich hier im Haus ein interdisziplinär besetzter „Arbeitskreis Palliativ“. Da wollte ich dabei sein und habe dann eine Palliativstation aufbauen können.
Sylvia Zeeb, wie kamen Sie zur Palliativpflege und was reizt Sie daran?
Es ist so wie immer im Leben, manchmal finden die Dinge dich und nicht andersherum. Es war eigentlich nie so geplant, es hat sich hier im Haus so entwickelt. Und: Es ist eine sehr sinnhafte Tätigkeit. Hier geht es um Leben und Tod. Hier reduziert sich alles auf das ganz Existentielle ohne „Firlefanz“.
Frau Neher, wie gehen die Menschen auf der Station mit dem Tod um?
Der Tod ist nach wie vor ein Tabuthema, auch wenn z.B. mehr über Sterbehilfe gesprochen wird. Wir erleben oft die große Angst der Patienten und Angehörigen vor dem Tod. Der Tod ist der Feind, er ist nichts Normales mehr. Gerade haben wir eine Angehörige erlebt, die psychologische Betreuung brauchte, um ihren toten Mann anschauen zu können. In einem anderen Fall gibt es eine tote Mama und der Mann kommt mit den Kindern und Luftballons. Manche können den Tod annehmen, andere nicht.
Frau Zeeb, hat sich die Einstellung der Gesellschaft zum Tod verändert?
Medial ist er präsenter als früher. Das heißt jedoch nicht, dass sich die Gesellschaft stärker mit dem Tod auseinandersetzt. In der Tiefe ist das Thema noch nicht angekommen. Wir sagen ganz bewusst nicht: „Der Patient ist jetzt eingeschlafen“, sondern: „Er ist jetzt verstorben oder er stirbt“. Uns ist in diesem Kontext auch die Aufbahrung des Toten in Absprache mit den Angehörigen sehr wichtig. Die eigene Kleidung, persönliche Gegenstände und frische Blumen gehören dazu.